Obstwald Oberhard
Totenapfel von Hellikon
Totenapfel von Hellikon, das hört sich mystisch an, klingt Sagen- und Legenden umwoben. Man könnte sich viele Geschichten zusammenspinnen, wie der Helliker Apfel zu seinem Namen kam. Eine Erklärung: Im Jahr 1875 ereignete sich in Hellikon ein dramatisches Schulhausunglück mit 76 Toten, und so wird gemutmasst, dass der Helliker Apfel im Zusammenhang mit diesem Unglück zu seinem schaurigen Namen kam. In allen Geschichtsbüchern ist nirgend etwas zu finden. Ist der Name wirklich auf das Unglück zurückzuführen?
Ich glaube dies nicht! Die Sorte ist sicher schon um einiges älter. Nachdem ich mich nun einige Jahre mit der Apfelsorte beschäftigte, habe ich eine plausiblere Erklärung. Der Apfelbaum treibt so spät im Frühling Blätter aus, dass man meint, der Baum seit tot. So kann es sein, dass die Besitzer mit der Zeit den Baum als Totenapfel bezeichneten. Der Name könnte so entstanden sein. Ich habe mit verschiedenen Fachleuten darüber gesprochen und sie sind der Meinung, dass dies wohl die wahrscheinlichere Variante ist.
Schaurig sieht er ganz und gar nicht aus, sondern wie ein ganz gewöhnlicher Apfel. Und wie schmeckt er, der Totenapfel? Es ist kein ausgesprochener Tafelapfel, er ist aber in jedem Fall sehr robust und widerstandsfähig gegen Schorf, gut zu lagern und bestens fürs Mosten geeignet. Der Apfel eignet sich auch sehr gut zum Kochen und vor allem, es gibt sehr gute getrocknete Apfelringe.
Nun, der Geschmack ist auch nicht so wichtig, schliesslich ging es darum, ein Stück Ur-Hellikon zu bewahren. Die alte lokale Apfelsorte ist bei Pro Specie Rara registriert und wurde an der Expo 2002 ausgestellt. Es waren nur noch zwei Exemplare bekannt, einer davon steht auf einem Privatgrundstück in Hellikon.
Mit dem Start der Rettungsaktion 2013 konnten in den letzten 6 Jahren rund 50 neue Apfelbäume mit der Sorte „Totenapfel von Hellikon“ gepflanzt werden. Die Rettung war ein toller Erfolg. Mit so vielen Bäumen hätte ich nie gerechnet. Ein Grossteil steht in Hellikon, aber auch in den Nachbargemeinden. Einer schaffte es bis an die Nordsee und wächst jetzt in Cuxhaven in einer Obstsammlung. Viele der Bäume sind von Privatpersonen gepflanzt worden, das ist eine gute Verteilung, dass die Genetik überlebt. Der Naturschutzverein hat im neu angelegten Obstgarten natürlich auch 4 Exemplare gepflanzt. Ein weiterer Baum hat einen Ehrenplatz vor dem Gemeindehaus in Hellikon bekommen. So haben wir die Gewähr, dass die Sorte mit den 50 neuen Bäumen, die nächsten Jahre überlebt!
Es wäre wirklich sehr schade gewesen, wenn die Sorte mit unserem Dorfnamen ausgestorben wäre. So wünsche ich mir, dass der Helliker Totenapfel noch vielen Generationen Früchte bringt.
Prospecierara
Schweizerische Stiftung für kulturhistorische und genetische Vielfalt von Tieren und Pflanzen. Um 1900 gab es in der Schweiz weit über 3000 Obstsorten, heute sind es noch etwa 2000. Davon brauchen die meisten Sorten einen besonderen Schutz, da sie zum Teil nur noch auf wenigen Bäumen gedeihen. In der gleichen Zeitspanne ging die Zahl der Feldobstbäume um 80 Prozent zurück. Pro Specie Rara gibt seit über 30 Jahren Gegensteuer und engagiert sich für eine lebendige Obstvielfalt.
Amandus Brogle, Dez. 2019
